Forschungsprojekt
New Language-Based Job Tasks
Einschätzungen der Absolvent:innen des Bachelor-Studiengangs Übersetzen zum KI-getriebenen Paradigmenwechsel am Arbeitsplatz
Das Thema „gesellschaftliche Veränderungen durch KI“ ist sehr präsent. Berufe mit beschreibbaren Routineaufgaben und hoher Automatisierbarkeit verschwinden, an anderen Berufen sinken Bedarfe – in Folge auch mittelfristig Ausbildungsangebote – sofern sie nicht Nischen finden und diese wirkungsvoll füllen können.
Über Jahrzehnte formen technologische Entwicklungen wie z. B. Maschinelle Übersetzung, Terminologie-Management-Systeme, cloudbasierte Übersetzungsplattformen, automatisierte Qualitätskontrollsysteme die Aufgabenbereiche von Sprachmittler:innen. Im Positiven ermöglichen diese Veränderungen Zutritt in angrenzende Berufsfelder, z. B. in Marketing- und Medienberufe. Der wirtschaftliche Bedarf und das gesellschaftliche Ansehen translatorischer Berufe konnten sich bisher in die technologischen Fortschritte einfügen. Das wird weiterhin so bleiben, wenn Menschen mit professioneller Sprachkompetenz präsent und agil bleiben.
Ziel des Projekts
Die Veränderungen durch den breiten und niederschwelligen Zugang zu KI-Systemen in der natürlichen Sprachverarbeitung und weiteren Anwendungsgebieten (z. B. Deep Learning, Sprachassistenz) stellen das Berufsbild nun vor die Aufgabe einer neuen Verortung (vgl. z. B. Seemann 2023, BDÜ 2024). Welche Formen und Anpassungen der Beruf für seinen Fortbestand vornehmen muss und kann, ist das Erkenntnisziel dieser qualitativ-quantitativen Studie an der Internationalen Hochschule in Zusammenarbeit mit dem SDI München.
Forschungsfragen
Wiederholt wurde festgestellt, dass nur etwa die Hälfte der Absolvent:innen von Translationsstudiengängen einer Beschäftigung nachgehen, die „im weitesten Sinne noch etwas mit Übersetzen bzw. Dolmetschen“ zu tun hat. Sie arbeiten „hauptsächlich in völlig anderen Tätigkeitsbereichen“ (vgl. Rösener et al., 2019: 38ff.; siehe auch die SDI-Verbleibstudien 2012, 2015 und 2019). Die Kenntnis über diese „Umorientierung“ weg vom klassischen Übersetzen birgt ein großes Potenzial für die Weiterentwicklung der Ausbildung auf dem modernen Arbeitsmarkt.
Zudem bilden die etwa 1.000 Absolvent:innen des Bachelor-Studiengangs Übersetzen an der Internationalen Hochschule (Stand 12/2024) trotz der verschiedenen beruflichen Tätigkeiten eine homogene Grundgesamtheit, die die Auswirkungen von KI auf Sprachenberufe aus einer einheitlichen Perspektive beschreiben kann: Alle Befragten eint eine dreijährige Ausbildung an einer bayerischen Fachakademie mit Staatlicher Prüfung in Verbindung mit dem Bachelor-Abschluss Übersetzen (Externenprüfung). Auf Basis dieses „Studium Generale“ in einem Sprachenberuf erfragen wir – trennend nach den Haupttätigkeitsfeldern – die Zukunftseinschätzungen unter den Einflüssen von KI. Die etwa 25 sowohl offenen als auch geschlossenen Fragen prüfen deduktiv Hypothesen und Ergebnisse aus vorangegangenen Studien.
Forschungsdesign
Die anonymisierte Erhebung erfolgt per Mail über die Evaluationssoftware Zensus. Der Befragungszeitraum liegt in KW 19 und KW 20 in 2025. Die Beantwortung der sowohl offenen als auch geschlossenen Fragen dauert etwa 10 bis 15 Minuten (Pretest). Die Antworten werden anonymisiert und mit einer computergestützten Analysesoftware quantitativ und qualitativ ausgewertet. Auf Basis der Rückläufe bei den Verbleibstudien 2012, 2015 und 2019 (> 25 %) wird auch im vorliegenden Projekt mit einer hohen Rücklaufquote gerechnet. Die etablierten Maßnahmen zur Steigerung des Rücklaufs sind projektiert.
Die Ergebnisse sollen sowohl auf dieser Website als auch in Form einer Fachpublikation bereitgestellt werden.
Erkenntnisziele
Zunächst sollen die Ergebnisse die in der Fachliteratur diskutierten Phänomene prüfen. Des Weiteren soll durch die Studie der Austausch zwischen den an Sprachenberufen beteiligten Disziplinen gestärkt sowie Bedarf und Möglichkeiten von proaktiven curricularen Anpassungen aufgezeigt werden. Dies kann dem Zirkeleffekt entgegenwirken, dass Ausbildungsinstitutionen und Fremdsprachenfächer langfristig vom Bildungsmarkt verschwinden, da es keine Sprachexpert:innen mehr gibt, die Sprachkompetenz und -expertise weitergeben können und vice versa (zu Sprachexpertise zählen z. B. Translation, Sprachdidaktik, Linguistik, Textexpertise, adressatengerechte Kommunikation, Post-Editing, Sprachdaten-Kuratierung u. a.).
Die Ergebnisse bieten zum einen Orientierung für bedarfsorientierte Aus- und Weiterbildungsinhalte im Tätigkeitsumfeld von Berufen, die auf Sprachen-, Sprachdaten- und Textkompetenz angewiesen sind (Employability). Die Ergebnisse stellen zum anderen die Einschätzungen zur Zukunft von Sprachenberufen zur Diskussion, erhoben unter einer Grundgesamtheit, die die Anforderungen an den klassischen Sprachenberuf kennt.
Laufzeit: 2024 – 2025
Mitarbeitende
Für weitere Informationen können Sie die Projektmitarbeitenden per E-Mail erreichen.
Anne Lehrndorfer, Julia Burchardt
Quellen:
BDÜ (2024): Positionspapiere des Bundesverbands der Dolmetscher und Übersetzer (BDÜ): Zum Einsatz von KI beim Übersetzen: https://bdue.de/fileadmin/files/PDF/Positionspapiere/BDUe_PP_KI-Einsatz_Uebersetzen_2024.pdf [05.01.2025].
Krüger, Ralph (2022): Integrating professional machine translation literacy and data literacy. In: Lebende Sprachen 67 (2), S. 247–282. DOI: 10.1515/les-2022-1022.
Rösener, Christoph; Dörflinger, Thorsten; Canfora, Carmen (2019): Berufsfelder und Perspektiven für Übersetzer und Dolmetscher: Eine Studie zum Verbleib der Absolventinnen und Absolventen des FTSK Germersheim (Mainzer Beiträge zur Hochschulentwicklung, 25). Online verfügbar unter https://astt.fb06.uni-mainz.de/files/2019/12/Band25_VerbleibsstudieDesFTSKGermersheim2.pdf [31.03.2025].
Seemann, Michael (2023): Künstliche Intelligenz, Large Language Models, ChatGPT und die Arbeitswelt der Zukunft. Hg. v. Hans-Böckler-Stiftung. Düsseldorf (304). Online verfügbar unter https://www.boeckler.de/de/faust-detail.htm?sync_id=HBS-008697 [30.03.2025].
Mitarbeitende
Profile
Prof. Dr. Anne Lehrndorfer ist promovierte Psycholinguistin und Professorin für Technische Kommunikation an der Internationalen Hochschule SDI München und leitet seit Gründung der Hochschule den Bachelor-Studiengang Übersetzen (Externenprüfung). Neben ihrer Lehrtätigkeit arbeitet sie insbesondere in der wissenschaftlichen Begleitung Studierender und bei der Qualitätssicherung der wissenschaftlichen Praxis. Sie verantwortete mehrere qualitative und quantitative Studien zu Verbleib und Employability im Bereich Translation und zu den sich ändernden Berufsprofilen, aktuell zu Effekten von KI.

Julia Burchardt (M. Sc.) ist Dozentin für Gerichts- und Behördenterminologie am SDI München und begleitet zusätzlich die Schüler:innen und Studierenden bei der Profilierung ihrer Kompetenzen für den späteren Beruf. Ihr wissenschaftlicher Hintergrund ist Wirtschaftsjuristin und Personalmanagement, wodurch sie für Veränderungen auf dem Arbeitsmarkt sensibilisiert ist und den Perspektivenwechsel zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer mit Expertise begleiten kann.
